Prinzipien

Sind unsere Prinzipien noch zeitgemäß?

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen machen uns betroffen und wir fühlen mit diesen Menschen. Es mag verständlich sein, werden uns die Schreckensbilder doch rund um die Uhr, teilweise sogar live ins Haus geliefert. Jede und jeder ist damit bestens informiert.

Wenn wir aber jetzt nach rechts und links zu unseren Sitznachbarn blicken stelle ich die Frage: Sind wir über unsere Bundesschwester, unseren Bundesbruder ebenso gut informiert? Wissen wir wie es ihnen geht, welche Probleme sie derzeit haben?

Eine Umfrage des MKV hat ergeben, dass ein MKVer im Schnitt nur über 3-4 Bundesbrüder näher Bescheid weiß. Auch in der Frage des Verhältnisses zur Kirche stellt sich die Meinung äußerst divergent dar.

Diese Überlegungen führen mich zur eigentlichen Frage: Sind unsere Werte noch zeitgemäß? Wenn wir die Werte des MKV amicitia, religio, patria und scientia betrachten, so muss festgestellt werden, dass anscheinend eine Identifizierung oder Zustimmung umso leichter fällt, als sie keinen eigenen Beitrag erfordert.

Das Prinzip patria, als Bekenntnis zur Republik Österreich in einem Vereinten Europa, auf Basis der christlichen Wertegemeinschaft stellt keine Herausforderung an den Einzelnen, außer alle paar Jahre zu den Urnen zu schreiten. In der Zwischenzeit mag man sich über die politischen Akteure ärgern, immer aber in der Gewissheit, als Einzelner, als kleiner Mann, nichts dagegen ausrichten zu können. Da wir zum Glück in Europa in einer friedlichen Zeit leben dürfen schimpft der gelernte Österreicher über ein paar Verordnungen aus Brüssel und geht zur Tagesordnung über. Als Couleurstudenten ärgern wir uns vielleicht mehr als andere, denken mehr darüber nach, letztendlich sehen aber nur die wenigsten beim Prinzip patria Handlungsbedarf.

Wehret den Anfängen, seid wachsam, bleibt misstrauisch gegenüber politischen Veränderungen, nur allzu schnell versuchen, besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten, politische Geisterfahrer Fahrt aufzunehmen. Dann müssen wir als Gemeinschaft für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte aktiver als es jetzt erforderlich ist, eintreten.

Wo wir uns bilden, da ist Vaterland! schrieb Johann Wolfgang von Goethe und geleitet uns damit von patria zur scientia. Ein Prinzip, dass uns persönlich wesentlich mehr betrifft. Es ist kein Geheimnis, dass Bildung den wesentlichen Faktor zu einem erfolgreichen Leben darstellt. Bessere Bildung ermöglicht einen höheren Lebensstandard, dies wurde uns von unseren Eltern vorgelebt und aufgetragen. In unserer schnelllebigen Zeit reicht es aber nicht mehr nur in der Jugend zu lernen, es ist ein Prozess der sich über die gesamte Lebenszeit verteilen muss, sei es um im Berufsleben bestehen zu können oder den wachsenden Herausforderungen des Alltages gerecht zu werden.

Als Mittelschülerverbindung haben wir aber auch die Pflicht uns aktiv einzubringen und die Interessen unserer aktuellen und zukünftigen Mitglieder zu vertreten. Wir dürfen uns nicht von den teilweise zweifelhaften Ergebnissen der PISA Studie blenden lassen. Wir brauchen keine Gesamtschule, in der letztendlich nur das Niveau gesenkt wird.

Wir brauchen dazu Bildungsstandards und nicht Standardbildung mit permanent sinkenden Anforderungen. Nur Wahlfreiheit in der Form des Schulzweiges und Förderung der Individualität schaffen die Grundlage für ausgezeichnete Leistungen im Berufsleben. Wir als MKV Verbindung müssen für ein differenziertes Schulsystem eintreten, in dem auf die Begabung jedes Einzelnen Rücksicht genommen wird. Bildung trifft jeden einzelnen persönlich, bietet einen persönlichen Vorteil, eröffnet uns Chancen und daher wird die Wichtigkeit anerkannt.

Wie steht es da mit dem Prinzip religio?

Religion ist in Österreich etwas sehr persönliches. Der Österreicher ist immer versucht, sich seine Religion selber zu machen. Er nimmt was ihm gefällt und er gut brauchen kann, kommt in die Kirche und bittet um Beistand wenn es ihm schlecht geht, schimpft aber sofort und wendet sich ab, wenn die Kirche ihren Beitrag fordert oder in manchen Glaubensfragen nicht seine Meinung teilt.

Religion ist aber kein Konsumgut, das man genießt wenn es gerade passt, in die Kirche gehen ist etwas anderes als ins Theater oder ins Kino zu gehen. Religion fordert uns in unserem täglichen Handeln und Tun und dies auch außerhalb der Kirchenpforte.

Religion muss für einen Couleurstudenten bedeuten, dass er sein gesamtes Leben im Handeln und Tun nach den christlichen Grundsätzen ausrichtet. Das gilt auch für den Umgang mit der sogenannten Amtskirche. Auch hier sind Menschen tätig, die genauso wie wir Fehler machen und genauso wie wir das Recht auf Vergebung haben. Wenn einzelne in der Kirche Fehler machen, so kann nicht die gesamte Kirche dafür verantwortlich gemacht werden, wichtig ist Aufklärung und ehrliche Hilfe für die Opfer.

Wenn manche Entwicklungen in der Kirche zu langsam erscheinen, so erlaubt mir, die Kirche mit einem weltumspannenden Unternehmen zu vergleichen und versucht dort eine Produktänderung zu erreichen, oder ein Produkt zu erhalten, das bisher nicht im Sortiment war.

Es funktioniert nur, wenn man sich aktiv in die Diskussion einbringt, versucht den weiteren Weg zu gestalten und nicht wenn man sich umdreht, sich abwendet oder zur Konkurrenz geht. Wir bekennen uns zu den christlichen Werten und wir dürfen auch mit manchem unglücklich sein. Aber wir müssen die Missstände aufzeigen und versuchen eine Änderung herbeizuführen, auch wenn es nicht leicht wird.

Ganz einfach schaut es auf den ersten Blick mit der Bundesbrüderlichkeit aus.

Bundesbrüderlichkeit, ja das geht leicht. Die aktuelle Umfrage des MKV zeigt aber, dass die Realität doch ganz anders aussieht.
Ja – wir helfen uns gegenseitig, wenn es leicht geht. Wir treffen uns manchmal, bei BC, AHC oder einer Kneipe, aber wie oft halten wir sonst Kontakt mit den Leuten, denen wir ewige Freundschaft gelobt haben? Wie gut wissen wir wie es den anderen geht, was sie bewegt, was ihnen Probleme oder Freude bereitet? Ja, wir haben in zunehmendem Alter mehr familiäre und berufliche Verpflichtungen, aber wir sind auch mit dem Burscheneid eine Verpflichtung eingegangen.

Wir sollten über uns selber nachdenken, ob wir die Prinzipien nur dann akzeptieren können wenn sie uns Vorteile bringen und uns keine Mühen abverlangen – Schönwetter-Couleurstudenten gleich – oder ob wir bereit sind für diese Prinzipien einzustehen und nach ihnen zu leben, auch wenn es eine Herausforderung darstellt.

Wie steht es nun mit der Frage ob die Prinzipien noch zeitgemäß sind?
Ich muss sagen, Ja sie sind es! Es ist auch nicht notwendig sie zu überarbeiten, oder gegen neue auszutauschen. Die Herausforderung sind nicht die Prinzipien, die Herausforderung sind wir selber. Es reicht nicht die Prinzipien in der Geschäftsordnung niederzuschreiben und bei der Burschenprüfung abzufragen. Jeder von uns ist gefordert auch außerhalb der Verbindung nach unseren Prinzipien zu leben, für unsere Grundsätze aktiv einzutreten, sonst verkümmern sie irgendwann zu Lippenbekenntnissen.

Es gibt nichts Gutes außer man tut es! Erlaubt mir diese Redewendung abzuwandeln in: Es gibt keine Prinzipien, außer wir leben sie!